Der Saale-Schachbund kann mit Fug und Recht als Vorgänger und Wegbereiter des Landesschachverbandes in Sachsen-Anhalt angesehen werden. Da dürfte es schon einmal interessant sein, auf die Anfänge des organisierten Schachlebens zwischen Altmark und Burgenlandkreis sowie zwischen Harz und Elbe zu schauen.
Deshalb begeben wir uns zurück in eine Zeit, die national durch die Reichsgründung des Jahres 1871 geprägt war. Die dabei zu verzeichnende Euphorie wirkte sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch positiv auf die Kulturlandschaft mit vielen Vereins- und Vereinigungsgründungen aus. Auf diese für einige Jahre anhaltende Aufbruchstimmung setzten auch die Freunde des Schachspiels im mitteldeutschen Raum.
Am 18. Juli 1877 kam es in Leipzig anlässlich einer Feier zum 50. Schachjubiläum des Vorkämpfers des Deutschen Schachs Adolf Anderssen zur Gründung des „Deutschen Schachbundes“. Damit waren die Schachspieler allen anderen Sportvereinigungen weit voraus. Die ersten richtungweisenden Kongresse dieses neugegründeten Bundes fanden 1879 in Leipzig und 1881 in Berlin statt. Für die mitteldeutschen Vereine war die Teilnahme durch das immer stärker in Mode kommende Transportmittel „Eisenbahn“ gut möglich. Für die folgenden Kongresse in Nürnberg, Hamburg, Frankfurt / Main und Breslau galt das auch, doch die Entfernungen und der dabei zu veranschlagende Zeitaufwand waren erheblich.
Hier war der Deutsche Schachbund als Zentralinstitution überfordert und einfach eine Nummer zu groß. Es musste eine, den lokalen Verhältnissen entsprechende Lösung gefunden werden, die die Vorteile des „Deutschen Schachbundes“ aufrechterhielt, aber auch durch eine örtliche Präsenz die Nachteile vermied.
Diese Lösung sollte gefunden werden, denn schon wenige Jahre nach der Gründung des Deutschen Schachbundes gab es ernsthafte Bestrebungen, das schachliche Leben auf den lokalen Ebenen zu verbessern. Dabei waren die im Halleschen Raum existierenden Vereine am schnellsten. Die gemeinsamen Ziele beflügelten die Ideen.
Am Sonntag, dem 8. Oktober 1882 trafen sich in der nordöstlich von Halle/Saale gelegenen Stadt Zörbig die Vertreter dreier Vereine, um in „Bettmann’s Hotel“ einen Schachbund zu gründen. Diese Vereinigung erhielt den Namen „Saale-Schachbund“ und wurde somit der erste Landesverband des Deutschen Schachbundes. Gründungsmitglieder waren die Schachclubs aus Halle, Löberitz und Zörbig.
Die Interessen ihrer Vereine vertraten dabei Kaufmann Otto Hensel und Herausgeber der „Saale-Zeitung“ vom Halleschen Schachclub, Ziegeleibesitzer Franz Ohme vom Löberitzer Schachclub und vom Zörbiger Schachclub der Maurer- und Zimmermeister Carl Enke. Weiterhin war neben anderen Vertretern der Eisenbahnsekretär Felix Krauser aus Halle anwesend. Hensel, der später nach Berlin verzog, schrieb 1897 an den damaligen Bundessekretär des Saale-Schachbundes F. Tempel über die vollzogene Gründung:
„Krauser ist aber der Vater des Bundes, Franz Ohme seine Mutter,und ich war die Hebamme.“
Mit einem Satz werden hier die Initiatoren des Bundes genannt. Diese gingen nun mit großem Elan an die Verwirklichung der sich selbst gestellten Aufgaben.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn schon am 21. Januar 1883 die 1. Bundesversammlung des neu gegründeten Saale-Schachbundes zur Austragung kam. Als Versammlungsort wurde Halle gewählt.
Vormittags 10.00 Uhr empfing der Gastgeber die Bundesmitglieder im „Kronprinzen“ zu einem Frühschoppen. Im Anschluss kam es 11.00 Uhr zur Generalversammlung. Hier wurde eine Bundessatzung, die sich im Wesentlichen nach den Statuten des Deutschen Schachbundes richtete, beschlossen. Nur wenige Punkte wichen davon ab und bezogen sich hauptsächlich auf die lokalen Besonderheiten des Bundes. Aus dieser ältesten Satzung hier einige Auszüge:
§ 1 Zweck des Bundes ist die Förderung des Schachspiels im Saale-Gebiet (Halle a. S. und Umgebung) durch einen regen Verkehr der Bundesmitglieder untereinander, durch regelmäßig mindestens 2mal im Jahre abzuhaltende, mit Turnieren zu verbindende Bundesversammlungen, sowie durch Korrespondenzpartien, welche die zum Bunde gehörigen Clubs oder Einzelmitglieder desselben untereinander veranstalten.
§ 4 Mit der Verwaltung der Bundesangelegenheiten wird ein Ausschuss betreut, zu welchem jeder zum Bunde gehörige Club ein Mitglied aus seiner Mitte wählt. Die Ausschussmitglieder wählen sich einen Bundessekretär, welchem die Führung der gesamten Korrespondenz usw. obliegt.
Nach der Delegiertenversammlung und dem Mittagessen konnten nachmittags 14.00 Uhr die Turniere beginnen. Im Hauptturnier, das im KO-System ausgetragen wurde, siegte der in Halle immatrikulierte Medizinstudent Siegbert Tarrasch, der das Endspiel gegen Otto Rosenbaum, einem angesehenen jüdischen Kaufmann aus Dessau, gewann.
Eine Fahrt zur Saalschlossbrauerei an der Pferderennbahn oder ein Spaziergang durch die Stadt überbrückte die Zeit für die Gäste, die sich nicht an den Turnieren beteiligten, bis zum gemeinsamen Abendessen.
An den Turnieren beteiligten sich über 50 Schachfreunde. Inzwischen hatten sich zu den drei Gründungsvereinen Halle, Löberitz und Zörbig die Schachklubs aus Dessau und Eilenburg gesellt. Die Gründungsetappe wurde somit für alle Beteiligten erfolgreich abgeschlossen. Nun musste man daran gehen, den jungen Bund zu vergrößern und vor allem dadurch das Schachspiel noch mehr zu verbreiten. Die hier geplanten Bundeskongresse hatten also schon jetzt ihre Aufgaben.
Die Pausen bei diesen Kongressen wurden oftmals auch für freie Partien genutzt. Da ging es, wenn man von der Ehre einmal absieht, um nichts, und gerade deshalb entwickelten sich solche Kämpfe oftmals interessanter als die eigentlichen und offiziellen Turnierpartien.
Großer Beliebtheit erfreuten sich vor allem aber Beratungspartien. Hier scharten sich meist zwei, drei Spieler um einen Schachmeister und berieten die in Frage kommenden Züge und Varianten. Allerdings wurden diese Partien selten aufgeschrieben und gingen somit für die Nachwelt verloren. Einige der wenigen erhalten gebliebenen Partien spielte 1883 der Vorkämpfer des deutschen Schachs, Siegbert Tarrasch, gemeinsam mit dem Zörbiger Geschichtsschreiber Reinhold Schmidt, sowie dem Ehrenpräsidenten des Halleschen Schachclubs, dem Oberprediger Sickel.
Ihre Gegner, die die weißen Steine führten, waren Bernhard Richter, Jacques Schwarz und Holländer.
Die mit der Schottischen Eröffnung beginnende Partie entwickelte sich zu einem lebhaften Kampf. Doch folgen wir nun ungekürzt der Analyse von Meister Tarrasch, die wir aus seinem Buch „Dreihundert Schachpartien“ (Leipzig, Verlag von Veit und Comp. 1895) entnehmen: