Im Jahre 1884 gab es gleich zwei Bundesversammlungen. Von der ersteren, die am 2. März im „Schwarzen Adler“ in Eilenburg stattfand, ist uns überliefert, dass der cand. Phil. Bernhard Richter aus Halle das Ehrenpreisturnier gewann. Gleichzeitig wurde beschlossen, den satzungsgemäßen Beitrag pro Mitglied von 0,40 auf 0,60 Mark zu erhöhen. Bundessekretär war zu diesem Zeitpunkt Dr. Wiemann aus Eilenburg. Dessen Antrag „… wegen der günstigen Bahnverbindung fortan stets Halle a. S. zum Versammlungsort zu nehmen …“ fand nach einer lebhaften Debatte keinen Zuspruch und so wurde Dessau als nächster Versammlungsort auserkoren
Vom 5. zum 6. Juli fand die nunmehr 4. Bundesversammlung in Dessau statt. An beiden Tagen wurden die Gäste von einem eigens aufgestellten Begrüßungskomitee vom Bahnhof in Empfang genommen und zum Clublokal „Centralhalle“ geleitet. Der Kaisersaal war festlich mit Birkengrün und Fahnen ausgeschmückt. In der Mitte waren um die Büste des Herzogs 24 ausgelobte Preise aufgereiht.
Bis 11.00 Uhr waren am Samstag ca. 60 Gäste eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt eröffnete der Vorsitzende des Dessauer Schachklubs, Gustav Hinsche, die Generalversammlung.
Den Mitgliedsvereinen wurde nahe gelegt, seine Spieler in vier Turnierklassen einzugliedern.
Es wurde Zörbig als nächster Kongressort bestimmt und beschlossen, jährlich nicht mehr mindestens zwei, sondern mindestens eine Bundesversammlung durchzuführen. Diese sollte im Sommer zur Austragung kommen. Eine Stunde später waren alle Probleme abgearbeitet und so konnten die Schachwettkämpfe beginnen. Gegen 16.00 Uhr wurde mit den freien Partien erst einmal Schluss gemacht, denn der Saal füllte sich mit Dessauer Publikum.
Sie wollten den Höhepunkt des Tages, die Blindsimultanvorstellung von Dr. Siegbert Tarrasch an sechs Brettern gleichzeitig, miterleben. Tarrasch trat gegen Berger / Quellendorf, Schilling / Löberitz, und die Dessauer Storz, Lange, Werwick und Scheibe an. Der Meister hatte sich in eine Ecke des Saals zurückgezogen und Bundessekretär Krauser übermittelte die Züge.
Gegen 19.00 Uhr war alles vorbei. Der Dessauer Scheibe war es, der bis zu diesem Zeitpunkt dem Simultanspieler stand hielt. Nach dessen Aufgabe, so wird in einem Artikel des Anhaltischer Staatsanzeigers berichtet: „...ging ein fast nicht enden wollender Beifallssturm durch den Saal “. Für seine Leistung erhielt er feierlich als Präsent einen hocheleganten Toilettenspiegel Mägdesprunger Kunstarbeit überreicht.
Gegen 19.00 Uhr waren auch die Turnierpartien, die parallel zum Simultan weitergespielt wurden, beendet. Im I. Hauptturnier gewann der Dessauer Otto Rosenbaum und verwies den Halleschen Philosophiestudenten Schwarz auf den 2. Rang.
Das II. Hauptturnier gewann Ehrhardt vor Bamme und im I. Nebenturnier siegte Thiemann vor Probst (alle Halle) und dem Dessauer Schulvorsteher Heidemann. Das II. Nebenturnier sah die beiden Löberitzer Rudolph und Vollbrach vor dem Zörbiger Encke als Sieger. In einem freien Turnier gewann der Leipziger Student Kümmel den 1. Preis.
Im Anschluss vereinigten sich die Teilnehmer zu einem gemeinschaftlichen Abendessen. Schulvorsteher Heidemann sprach einen Toast auf den deutschen Kaiser und den Herzog von Anhalt aus.
Kaufmann Rosenbaum trat als offizieller Redner des Dessauer Schachklubs auf. In einer zündenden Rede kam er zu dem Schluss, „dass es nur den Gästen und Bundesbrüdern zu verdanken sei, wenn der Dessauer Schachklub das heutige Fest als einen hervorragenden Ehrentag in der Dessauer Schachgeschichte einzeichnen darf“. Weiter wies er darauf hin, „dass dies edle Spiel alle niederen Leidenschaften banne, und schon seines sittlichen Wertes wegen verdient, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gefördert zu werden.“ Er weihte sein Glas dem Gedeihen des Saale-Schachbundes.
Der Vorsitzende des Halleschen Schachklubs, Hensel, dankte daraufhin den Dessauern für ihre Mühen.
Vom Sonntag wird berichtet, dass während eines Ausfluges zum Wörlitzer Park der Leipziger Wuttig und Krause aus Halle in der Kutsche eine Blindpartie spielten und auf dem Stieglitzer Berg Hülsen / Wittenberg gegen Rosenbaum eine Korrespondenzpartie absolvierten.
Von der 5. Bundesversammlung, die am 15. Juni 1885 in Zörbig durchgeführt wurde, sind viele Einzelheiten bekannt, da hier noch die handschriftlichen Protokolle bis in unsere Zeit überlebten. Als wichtigster Beschluss ist bei der Versammlung die pflichtmäßige Einführung von Schachuhren bei den Hauptturnieren des Saale-Schachbundes zu bezeichnen.
Die Turniere kamen im großen und repräsentativen Saal des Gasthofes „Schwarzen Adler“ zur Austragung.
Im I. Hauptturnier siegte wieder cand. Phil. Bernhard Richter vor dem später als Problemkomponist bekannt gewordenen Hülsen.
Das II. Hauptturnier wurde von Franz Ohme vor weiteren sieben Spielern gewonnen. Im I. Nebenturnier sicherte sich der Eilenburger Horn den Turniersieg.
16.00 Uhr gab Dr. Siegbert Tarrasch gegen sechs Schachfreunde eine Blindsimultanvorstellung. Dabei gewann er alle Partien innerhalb dreier Stunden. Für seine Leistung erhielt er ein Geschenk in Gestalt einer prächtigen Säule, für das ihm als Sieger im Hauptturnier in Nürnberg 1883 zugefallene Trinkhorn. Ein gemeinsames Abendessen in dem seit der Bundesgründung bekannten „Bettmann’s Hotel“ beendete diese Bundesversammlung.
Noch spät in der Nacht klang die Lieder im fröhlichen Rundgesang durch die Straßen und Gassen der altehrwürdigen, damals über neunhundertjährigen Stadt.
Der 6. Bundeskongress des Saale-Schachbundes fand am 4. und 5. Juli 1886 im Saal des Börsengebäudes in Halle statt. Es war die erste Bundesversammlung, die den anspruchsvolleren Namen „Kongress“ erhielt. Weiterhin wurde aber auch die Bezeichnung „Bundesversammlung“ verwendet.
Mit dem Schachklub Jeßnitz fand ein weiterer Verein Aufnahme im Saale-Schachbund.
Das Hauptturnier, an dem sich acht Spieler beteiligten, wurde im KO-System durchgeführt. Es gewann der Philosophiestudent Schwarz. Insgesamt fanden 75 Schachfreunde den Weg zum Kongress. In der Generalversammlung wurde übrigens der Antrag des Schachclubs Zörbig abgelehnt, den Bundesnamen in „Saale-Mulde-Schachbund“ abzuändern.
Der 7. Kongress des Saale-Schachbundes wurde wieder nach Löberitz vergeben. Am 10. und 11. September 1887 fanden die Wettkämpfe statt. Leider sind uns von diesem Kongress nur wenige Ergebnisse übermittelt. Im I. Hauptturnier wiederholte der Hallesche Student Schwarz seinen Vorjahrssieg vor Rosenbaum und Seiferheld. Das II. Hauptturnier gewann der Dessauer Donath vor Lederer.
Außerdem fanden noch vier andere Turniere statt. Die Versammlung regelte das Spielen derart, dass in einer Stunde mindestens 20 Züge zu machen waren.
Im folgenden Jahr, dem Dreikaiserjahr 1888, fand der 8. Bundeskongress am 9. September in Eilenburg statt. Das Hauptturnier gewann unter den Augen von Hermann Zwanzig, dem rührigen Sekretär des Deutschen Schachbundes, Otto Rosenbaum aus Dessau vor Holländer aus Halle.
Zum Bund gehörig ist nun auch der Schachklub aus Bitterfeld zu nennen.
Der 9. Kongress kam vom 30. Juni zum 1. Juli 1889 in Dessau wieder im noblen Kaisersaal des Theaters zur Austragung. Als neues Mitglied konnte der Schachklub von Zerbst begrüßt werden.
Es gab ein totes Rennen zwischen O. Rosenbaum und B. Hülsen. Im anstehenden Stichkampf setzte sich Hülsen in nachfolgender Partie durch
Otto Rosenbaum betonte in der anlässlich dieses Höhepunktes herausgegebenen Festzeitung die Führungskompetenz der Stadt Halle mit nachfolgendem Wortspiel: „Obwohl das heutige Fest in der Central-Halle zu Dessau stattfindet, bleibt doch unsere Bundes-Centrale Halle“.
Die 10. Bundesversammlung am 15. und 16. Juni 1890 im „Café David“ in Halle statt. Hier wurde für den nach Erfurt verzogenen Bundessekretär Felix Krauser der Vorsitzende des Halleschen Schachklubs L. Thiemann als Nachfolger gewählt. Dem scheidenden Krauser wurde die Ehrenmitgliedschaft angetragen.
Das Hauptturnier gewann der Sieger der Jahre 1886 und 1887 und inzwischen zum Dr. der Philosophie avancierte Schwarz.
Der 11. Bundeskongress fand am 13. und 14. Juni 1891 wieder in Löberitz statt und wurde vom Dauerregen bestimmt. Das und ungünstige Zugverbindungen auf der Strecke Halle-Magdeburg zum Bahnhof in Stumsdorf hielten viele ab, um zu kommen. Selbst das von den Löberitzern angebotene Abholen mit der Kutsche konnte keine Massenbewegung auslösen.
Es fanden sich 40 Bundesmitglieder und ein Gast ein. Von den 7 zum Bund gehörigen Vereinen waren nur Eilenburg, Zerbst und Bitterfeld nicht anwesend. Dazu kamen noch mehrere Einzelmitglieder aus den unterschiedlichsten Vereinen.
So waren nur 36 % der Bundesmitglieder vor Ort. Zur heutigen Zeit wäre das allerdings eine Traumquote.
Zusammen mit dem Kongress feierten die Löberitzer Schachspieler ihr 20. Gründungsjubiläum. Mit der Organisation der Festlichkeiten gab es nur wenige Schwierigkeiten. Alles war eingespielt, und die Erfahrungen von zwei Jahrzehnten machten sich für Franz Ohme und seine Clubleitung bezahlt.
Am Samstag, dem 13. Juni, war es dann soweit. Abends 20.00 Uhr begann die Feier mit einer Versammlung des Schachclubs im Vereinslokal. Die ersten Gäste und Gratulanten fanden sich auch schon ein. Der Löberitzer Oberamtmann Dörries, der die Schachspieler im Dorf häufig unterstützt hatte, wurde hier für sein Engagement zum Ehrenpräses des Vereins ernannt. Am Vormittag des folgenden Tages eröffnete der neugewählte Ehrenpräses in dem mit Birkengrün geschmückten Saal der „Weintraube“ den Kongress.
Nach der Generalversammlung folgten die Turniere. Es beteiligten sich 31 Kämpfer. Das I. Hauptturnier, an dem sich vier Spieler beteiligten, gewann Deichmann (Halle) vor Seifferheld (Görzig) und Rosenbaum (Dessau).
Der Zörbiger August Lederer siegte vor Zirkenbach und Denicke (beide Halle) im II. Hauptturnier. Im I. Nebenturnier, wo Götze (Halle) und Berger (Quellendorf) sich vorn platzierten, erkämpfte sich der erst dreizehnjährige Richard Krause aus Löberitz einen hervorragenden 3. Platz! Sieger des II. Nebenturniers wurde Hochheim (Zörbig) vor Phillips (Halle) und Thiemann (Zörbig).
Erwähnenswert sind noch einige der wertvollen Preise. So gewann Deichmann eine Reiterstatue, Seifferheld ein Paar gläserne Bierpokale und Lederer eine Standuhr. Im Tombolaturnier gab es 15 Gewinner, von denen Gruber aus Salzfurt, der blind war und auf einem eigens angefertigten Brett spielte, für Aufsehen sorgte. 18.00 Uhr begann das gemütliche, den Wirtsleuten Pielenz alle Ehre machende, gemeinsame Abendessen. Eine größere Anzahl von Gästen nutzte die Gelegenheit, um Trinksprüche anzubringen oder ihren Dank auszusprechen. Oberamtmann Dörries ließ die Erschienenen hochleben. Otto Rosenbaum dankte im Namen der Bundesmitglieder und der Assessor Kuntze, der zur Zeit in Zörbig wohnhaft war, namens der Gäste. Letzterer fand dabei, auf das Festessen eingehend, folgende, unter jubelnden Beifall aufgenommenen Verse:
Die Waffen ruhn, des Schachspiels Stürme schweigen,
auf große Schlachten folgt Gesang und Schmaus.
Ich will der Bundesgäste Dank bezeugen
und bringe darum diesen Toast noch aus.
Heil Löberitz, du Ströbeck an der Fuhne
wo man bei Pielenz Spargel isst mit Wurst.
Wie die Giraffe trinkt aus der Lagune,
so löscht in dir der Schächer seinen Durst.
Wen einmal nur du gastlich aufgenommen,
vergisst dich nicht, wohin er immer zog;
mit Freuden wird zu dir er wieder kommen.
Ruft alle drum mit mir: Hoch Löberitz, hoch!!
Zerbst war am 19. und 20. Juni 1892 Austragungsort für den 12. Bundeskongress. Der gastgebende Klub hatte in das Hotel „Fürst Bismarck“ geladen. In die Teilnehmerliste des Hauptturniers trugen sich nur drei Spieler ein. Sieger wurde der Jurastudent Paul Lipke vor dem Dessauer Otto Rosenbaum und dem Zörbiger Literaten und Geschichtsschreiber Reinhold Schmidt.
Die am Sonntagvormittag ausgetragene Partie des Turniersiegers gegen Reinhold Schmidt ist überliefert:
Ein Antrag auf „Veranstaltung eines sächsisches Provinzialschachfestes“ wurde wegen großem Widerspruch zurückgezogen, dennoch gab das Fest Gelegenheit zum Austausch vieler Ideen.