Schachmuseum Löberitz

In dieser misslichen Lage trat Franz Ohme wieder auf den Plan. Er lud alle Mitgliedsvereine für den  14. Juni 1896 zur 14. Bundesversammlung ein. In der Bundeschronik wird wörtlich vermerkt: „Jedoch der Entschlusskraft von Ohme / Löberitz ist es zu danken, dass die Auflösung unterblieb und am 14. Juni 1896 das 14. Bundesfest in Löberitz steigen konnte.“  Ein weiterer Grund zur Einladung war auch das 25. Stiftungsfest, welches der Löberitzer Schachclub an diesem Tag feiern wollte.


In der Deutschen Schachzeitung und vor allem im Deutschen Wochenschach kündigte man die Feierlichkeiten ausführlich an. Am Sonntag, dem 14. Juni war es endlich soweit und die Festgäste wurden 10.30 Uhr auf der Bahnstation Stumsdorf empfangen und mit Kutschen abgeholt. Teilnehmer und Gäste aus Leipzig, Halle, Dessau, Zerbst, Brehna, Erfurt, Zörbig und Quellendorf, sowie aus den benachbarten Ortschaften, unter ihnen auch mehrere Damen, fanden den Weg nach Löberitz. Clubleiter Franz Ohme begrüßte 11.30 Uhr in der festlich geschmückten „Weintraube“ die Anwesenden, vor allem den Bundessekretär des Deutschen Schachbundes, den Schachtheoretiker Dr. Max Lange aus Leipzig, mit einer kurzen Ansprache und eröffnete die Generalversammlung.

Hier wurde Kaufmann Tempel aus Halle für den zurückgetretenen Thiemann zum neuen Bundessekretär gewählt. 12.30 Uhr begannen endlich die von allen ungeduldig erwarteten Turniere. Im I. Hauptturnier, an dem sich sechs Spieler beteiligten, siegte der in Halle studierende Hering vor Rosenbaum aus Dessau. Die interessanteste Partie wurde zwischen Otto Rosenbaum und dem Altmeister Dr. Max Lange gespielt. Letzterer opferte unkorrekt auf c3 einen Springer, was von dem genau spielenden Rosenbaum gründlich widerlegt wurde. Das II. Hauptturnier gewann v. Smolenski vor dem Löberitzer Krause. Auf die folgenden Plätze gelangten Ruprecht (Brehna) und Schildhauer (Halle). Sieger des I. Nebenturniers wurde der erst frischgewählte Bundessekretär Tempel vor den punktgleichen Ohme (Löberitz), Doborenz (Zerbst) und Scherling (Halle). Als Gewinner des II. Nebenturniers ging der Zörbiger Hartwig vor Kühne (Möhlau) und den beiden Löberitzern Rudolf jun. und Hagen hervor. Im sogenannten Tombolaturnier gewannen Carl Encke (Zörbig), Berger (Quellendorf) und Reinhold Schmidt (Zörbig) die Preise. Alle Präsente und Preise wurden vom Bundesmitglied Kaufmann Rosenbaum in reicher und geschmackvoller Auswahl geliefert und auf einer langen Tafel aufgestellt. Max Lange stiftete hierzu noch 20 und der Rechtsanwalt Kähne aus Halle noch 10 Mark.

Nebenbei veranstaltete Dr. Lange ein Lösungsturnier mit einem von ihm gespendeten Preis von 10 Mark. Die fünfzügige Aufgabe löste als erster der Hallenser v. Watzdorf.

Gegen 19.00 Uhr begann das gemeinsame Festmahl. Die Gastgeber hatten hierzu entsprechende Speisekarten drucken lassen. Das Weinangebot des Abends ist uns erhalten geblieben.

Unter allgemeinen Beifall konnte ein Glückwunschtelegramm aus dem Harz verlesen werden. Tischlieder und Trinksprüche der Herren Ohme, Kähne, Dr. Lange, Rosenbaum und weiterer Gäste schlossen sich an. Erwähnt muss noch werden, dass der ehemalige Löberitzer Schachfreund, Lehrer Vollbracht, der nun in Erfurt lebte, hier zu Besuch weilte. Ihm wurde ein schönes Erinnerungsgeschenk an die Jubiläumsfeier überreicht. Das Fest endete in ausgelassener Stimmung und für alle viel zu früh gegen 9.00 Uhr, doch die Abfahrtszeit der Züge in Stumsdorf mahnte zum Aufbruch.

Das Handeln Franz Ohmes hatte sich gelohnt, und für Löberitz war der Tag eine gelungene Werbung, für die Teilnehmer wurde er zum bleibenden Erlebnis. So erinnerte sich viele Jahre später der Hauptturniersieger Hering, der inzwischen in Dessau zum Studienrat und Professor avancierte:

„Die Turniere waren damals wesentlich kürzer als die heutigen. Sie fingen gewöhnlich am Sonnabend (nachmittags oder abends) an und mussten bis zum Abendessen am Sonntag beendet sein. Eine feierliche Tafel mit Reden und fröhlicher Unterhaltung bildete den Abschluss des Kongresses und brachte die Teilnehmer sozusagen auch menschlich näher. Auch die Heimfahrt trug häufig zur Erhöhung der Stimmung bei. So erinnere ich mich, dass ich mit meiner großen Ständerlampe, die ich in Löberitz als Preis bekommen und nach Halle schleppen musste, unterwegs viel geneckt wurde.“

Dieser Kongress hat die Schachfamilie wieder gefestigt und auch die Krise des Saale-Schachbundes konnte damit überwunden werden.

Für den bisherigen Bundesvorsitzenden L. Thiemann war das zurückliegende Desinteresse am Bundesleben allerdings so groß, dass er seinen Rücktritt bekannt gab. Als Nachfolger wurde einstimmig der Kaufmann F. Tempel aus Halle gewählt.

Die 15. Bundesversammlung fand am 20. Juni 1897 im Restaurant „Fürst Bismarck“ in Zerbst statt. Um den Sieg im Hauptturnier kämpften nur drei Spieler. Am Ende gewann Otto Rosenbaum aus Dessau. In der Hauptversammlung wurde nachfolgende Resolution gefasst: „Die Hauptversammlung unterstützt die vom Vorsitzenden des Thüringer Schachbundes Pastor O. Koch in Tröchtelborn geplante Herbeiführung eines Kartells der landschaftlichen Schachverbände untereinander.“

Dieser Beschluss wurde noch im gleichen Jahr umgesetzt.

1898 war am 26. und 27. Juni das „Grand Hotel und Wintergarten“ in Halle Austragungsort der 16. Bundesversammlung. Am Hauptturnier beteiligten sich dieses Mal 10 Spieler in zwei Gruppen. Die beiden Sieger E. Hartewig aus Chemnitz und R. Hering aus Dessau unterließen es allerdings, einen Stichkampf auszutragen.

Aufgrund des im Vorjahr zustande gekommenen  Kartellverbandes waren auch Vertreter des Thüringer Schachbundes und des Erzgebirgisch-Vogtländischen Schachbundes zugegen.

Die Bundesversammlung  beschloss eine neue Satzung. Dabei wurde der bisherige § 1 dahingehend abgeändert, dass hinter dem Wort „Saalegebiet“ die Worte „Halle a. S.“ weggelassen worden sind.

Die 17. Bundesversammlung fand am 18. und 19. Juni 1899 im Dessauer Restaurant „Wolfsschlucht“ statt. Als besonderes Ereignis wird die Stiftung des Landesvaters, ein Pokal mit der Aufschrift „Ehrengabe Sr. Hoheit des Erbprinzen Friedrich von Anhalt“, angesehen. Diesen Pokal sicherte sich der Chemnitzer E. Hartewig vor O. Rosenbaum aus Dessau und L´hermet aus Magdeburg.

Bei diesem Bundestreffen wurde der Magdeburger Schachklub aktives Mitglied des Saale-Schachbundes.

Vom 17. bis zum 18. Juni 1900 kam im Cafe Hohenzollern in Magdeburg die 18. Bundesversammlung zur Austragung. Mit Magdeburg-Buckau konnte ein weiterer Verein in die Reihen des Bundes aufgenommen werden.

Das Hauptturnier wurde bei insgesamt acht Teilnehmern ausgetragen. Als Gruppensieger behauptete sich der Eisenbahnsekretär und Präsident des Thüringer Schachbundes Ehrentraut aus Erfurt vor Wermser aus Staßfurt. Die andere Gruppe gewann der Gymnasiallehrer und Schriftführer des Magdeburger Schachklubs Schollwer vor dem Dessauer R. Hering. Ein Stichkampf unterblieb. Es wird berichtet, dass einige fällige Hängepartien während einer gemeinsamen Tour zum Ausflugslokal „Herrenkrug“ erledigt wurden.

Beide Gruppensieger erhielten als Preise wertvolle Silbergegenstände überreicht. Das Startgeld für die Teilnahme betrug 2,50 Mark.

In der Generalversammlung wurde beschlossen, „…dass in Zukunft die Turniere möglichst an einem Tage beendet werden sollen und deshalb in Gruppen von höchstens vier Teilnehmern gespielt wird“.

1901 veranstaltete Zerbst die 19. Bundesversammlung. Am 23. Juni war das „Rebhuhnsche Gartenlokal“ Austragungsort.

Im I. Hauptturnier sicherte sich der Staßfurter Kaufmann Wermser den Titel. Bekannt ist auch noch der Turniersieg des späteren Meisterspielers Preuße aus Roßlau im II. Nebenturnier.

Die Versammlung beschloss im kommenden Jahr das 20 jährige Bundesjubiläum ganz groß zu feiern. Als Austragungsort bestimmte man wegen seiner zentralen Lage Halle.

In diesem Jahr war auch der Schachklub Staßfurt-Leopoldshall zum Bund gestoßen.

Die 20. Bundesversammlung 1902 fand in Halle statt. Nach Dr. Kiok ist gerade über diese groß angekündigte Veranstaltung in den einschlägigen Schachzeitungen nichts zu finden.

Nach einer Mitteilung des Fabrikbesitzer Franz Wermser aus Staßfurt an Dr. Kiok erfahren wir einige weitere Einzelheiten, denn er schreibt: „1902 war in Halle ein stark  besetztes Turnier. Teilnehmer waren u. a. von der Leipziger „Augustea“ die Herren Gregory und Lowtzky, welche später als Meister bekannt geworden sind.“

Nach einer überlieferten Partie zwischen Kircher / Leipzig und Rosenbaum / Dessau können zwei weitere Turnierteilnehmer belegt werden.

Die 21. Bundesversammlung fand am Sonntag, dem 14. Juni 1903 in Löberitz statt und wurde mit dem Stiftungsfest des Löberitzer Schachclubs verbunden. Es war nun immerhin schon das 32. Hier konnte mit Pastor Johann Melchior Kirsch aus Ammendorf auch der Mitbegründer des Löberitzer Schachklubs begrüßt werden. Vertreter aus Halle, Magdeburg, Staßfurt, Dessau, Quellendorf, Möhlau, Zörbig und Erfurt besuchten den Kongress.

Inzwischen bot sich durch die 1897 eröffnete Bahnstrecke Bitterfeld-Zörbig-Stumsdorf mit den beiden Bahnhöfen in Großzöberitz und Zörbig eine bessere An- und Abreise.

Die Halleschen Schachfreunde reisten vorsorglich schon am Samstag an, um auch schon an diesem Tag bis nach Mitternacht Schach zu spielen und um sich auf den Kongress einzustimmen. Die Generalversammlung wurde 11.00 Uhr vormittags nach einer kurzen Ausschusssitzung vom Bundessekretär F. Tempel aus Halle eröffnet, an deren Ende sich die Turniermeldung anschloss und die Teilnehmer   auf die einzelnen Klassen und Gruppen aufgeteilt wurden. Gespielt wurde in drei Haupt- und drei Nebengruppen. Die überaus große Teilnehmerzahl von 32 Schachsportlern war noch nicht einmal im Vorjahr in Halle erreicht worden. Bei vielen lag noch die schöne Jubiläumsfeier aus dem Jahre 1896 in Erinnerung.

Im Preisträger-Hauptturnier siegte Wermser aus Staßfurt vor Rosenbaum aus Dessau und im I. Hauptturnier Bierbach aus Halle. Das II. Hauptturnier wurde von Lederer aus Zörbig vor dem Löberitzer Rudolph gewonnen. Das Nebenturnier I hatte folgenden Endstand: 1. Kaufmann Berger (Quellendorf), 2. Beyerlin (Magdeburg) und 3. Hochheim (Zörbig). Im Nebenturnier II gab es zwei Gruppen. Dabei kam es in der A-Gruppe zu einem Löberitzer Doppelerfolg. Es siegte Pöckel vor Krause und dem Dessauer Vogt. Die B-Gruppe gewann mit Bäckermeister Hagen ebenfalls ein Löberitzer. Hier belegten Kühne (Möhlau) und Drecksler (Löberitz) die Ehrenplätze. Es gab 15 Preise im Gesamtwert von über 100 Mark. Diese setzten sich aus Kunst- und Gebrauchsgegenständen zusammen. Nach den mühevollen Kämpfen vereinigten sich die Teilnehmer 18.00 Uhr zum Abendessen. Insgesamt waren 80 Personen, darunter 10 Frauen, an die Festtafel geladen. Der fröhliche Tag schloss spät in der Nacht mit einem schnell in Szene gesetzten Tanz. Damit endete für alle ein erlebnisreiches Wochenende.

 

Die 22. Bundesversammlung fand am 18. und 19. Juni 1904 in Dessau statt.

Im Hauptturnier Ia ging es um den Ehrenpreis des Herzogs von Anhalt. Es siegte Wermser aus Staßfurt vor den Dessauer Hering. Weiterhin nahmen am Turnier Ehrentraut / Erfurt, L´hermet / Magdeburg, Rosenbaum / Dessau und Urbach / Weimar teil.

Um den Ehrenpreis der Stadt Dessau ging es im Hauptturnier Ib. Hier gewann Preuße vor Rechtsanwalt Heine / Dessau. Heine erhielt dadurch den Preis des Deutschen Schachbundes.

Fr. Tempel wurde einstimmig als Bundessekretär wiedergewählt.

Die 23. Bundesversammlung fand am 17. und 18. Juni 1905 im Lokal des kaufmännischen Vereins zu Magdeburg statt. Ergebnisse und weitere Einzelheiten sind nicht überliefert worden.

Der 24. Bundeskongress wurde vom 16. bis 18. Juni 1906 in Staßfurt abgehalten. Das Hauptturnier Ia gewann Wermser aus Staßfurt vor den beiden Dessauern Preuße und Hering. Vierter wurde Mittag aus Gernrode.

Dieser fragte in der Generalversammlung auch an, ob der Harzer Schachbund Mitglied in dem bestehenden Kartellverband vom Thüringer Schachbund, dem Erzgebirgisch-Vogtländischen Schachbund und dem Saale-Schachbund werden könnte. Sein Anliegen erhielt allgemeine Zustimmung.

Der Versammlungsbericht schließt mit folgenden Informationen: „Ein gemeinsames Abendessen brachte einen guten Abschluss des ersten Tages, wonach die meisten Teilnehmer der Heimat zueilten. Am Montag wurde die Stadt besichtigt, auch von mehreren Teilnehmern das Salzbergwerk Ludwig II befahren“

Die 25. Bundesversammlung war zufälliger Weise auch das 25. Stiftungsfest des Saale-Schachbundes. Das Silberne Bundestreffen fand vom 6. zum 8. Juli 1907 im Hotel Kaiser Wilhelm in Halle statt. Als Auftaktveranstaltung spielte am ersten Tag Paul Lipke gegen 24 Gegner Simultan. Dabei gewann er 23 und remisierte eine Partie.

Im 1. Turnier sicherte sich Ingenieur Kuhlmann vor den beiden Dessauern Otto Rosenbaum und Mittelschullehrer Preuße den 1. Platz.

Auch von der 26. Bundesversammlung in Dessau 1908 ist nichts bekannt. Nach einer Mitteilung von Wermser soll allerdings kein Geringerer als Weltmeister Dr. Emanuel Lasker einen Vortrag gehalten und Simultan gespielt haben.

Im Jahre 1909 entschied sich Magdeburg-Wilhelmstadt zur Mitgliedschaft im Saale-Schachbund.

Magdeburg war Austragungsort des 27. Bundeskongresses 1910. Die Veranstaltung fand am 11. und 12. Juni  im Hotel „Weißer Bär“ in Magdeburg statt. Auch von diesem Bundesfest liegen keine Ergebnisse vor.

Nach einem Jahr Pause kam der 28. Bundeskongress vom 22. bis 24. Juni 1912 im Hotel „Zur Tulpe“ in Halle zur Austragung.

Beim I. Hauptturnier erspielten sich drei Spieler aus vier Partien 3,0 Punkte und so musste das Los über Platzierung und Vergabe der Preise entscheiden. Turniersieger wurde dadurch Heilbronner vor Laue und Amtsgerichtsrat Kuntze. Die Losprozedur war allerdings nicht ganz so schlimm, denn alle drei Spieler kamen vom Halleschen Schachklub. Auch bei den Plätzen 4 und 5 erfolgte eine Verlosung.

Der 29. Kongress fand am 21. und 22. Juni 1913 im Hotel „Kaiserhof“ in Dessau statt. Am späten Nachmittag 5.00 Uhr des ersten Tages begann das Turnier, an dem sich sieben Spieler beteiligten.  Die Spiele dauerten an beiden Tagen so lange, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt beendet werden sollten. Allerdings liegen darüber keine Ergebnisse vor.  Vielleicht gab es auch andere Probleme, die solch ein Fehlen überdeckten.

Im Jahr darauf begann der I. Weltkrieg und damit endete vorerst einmal das kontinuierliche Bundesleben.