Siegfried Schönle aus Kassel, unter anderem Sammler und Experte des barocken Bücherwesens, berichtet über die Besichtigung einer Schachausstellung in Jena gemeinsam mit Konrad Reiß und den zweitägigen Besuch des Schachmuseums Löberitz im Osten Deutschlands.
Ausstellungen, die sich explizit Schach zum Thema wählen, sind in deutschen Museen selten, wenn nicht gar rar zu nennen, für Räume in unseren Universitäten gilt dies erst recht.
Nicht so in Jena in der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek, in der Dr. Uwe Glatz im Eingangsbereich der Uni in thematisch geordneten Vitrinen Schach. Spiel – Sport – Wissenschaft – Kunst zu einem sehenswerten Ganzen zusammenfügte.
Der Höhepunkt des Besuchs bestand allerdings in der Möglichkeit, einzigartige bibliophile Kostbarkeiten, die nie den Sicherheitsbereich der Bibliothek verlassen, in Augenschein zu nehmen.
Nach drei Stunden ging es weiter nach Löberitz. Dazu schreibt Schönle: Ein wunderbarer Ort, ein Schachmuseum, das keinen Vergleich scheuen muss, war zu bestaunen und zu erkunden. Der Besucher kann dort zutiefst erleben, dass Schach mehr, sehr viel mehr ist als ausschließlich 1. e2 – e4 …
Nämlich was?
Um das zu erfahren, lesen Sie den nachfolgenden Bericht.
Veit Godoj, Journalist, internationaler Rechercheur, Genealogist und Erbenermittler aus Berlin brachte pünktlich zum bevorstehenden 150jährigen Jubiläum der Schachgemeinschaf Löberitz durch die Auffindung von Franz Ohmes Sterbeurkunde neue Erkenntnisse in dessen Lebensabend. Dank an dieser Stelle an Veit Godoj, der übrigens auch beim Haupstadtverein SK König Tegel als starker Schachspieler seinen Mann steht.
Auch Franz Ohmes Geburt und die Familienverhältnisse stehen nun in einem anderen Licht. Hier konnte Markus Reiß einige neue Erkenntnisse hinzufügen. Auch ihm unseren Dank.
Herwig Karius, ein bekannter Schachspieler, Funktionär und Organisator aus Köthen, bereicherte mit einigen Exponaten die Sammlungen des Löberitzer Schachmuseums. Während ein ähnlicher und noch voll funktionstüchtiger, aber dennoch recht seltener DDR-Schachcomputer der Marke „chess master“ im Bestand schon vorhanden war, sind zwei Broschüren über die Weltmeisterschaftskämpfe zwischen Michail Botwinnik und Michail Tal unter dem Titel „Das Match des Jahrhunderts“ (Reg.-Nr. 1931) und „Die Revanche“ (Reg.-Nr. 1932) aus dem Verlag „Neues Deutschland“ völlig neu. Davon enthält der erstere der beiden genannten Titel auf der vorderen Einbandinnenseite die Autogramme des damaligen sowjetischen Weltmeisters Michael Botwinnik und Gidon Stahlberg, dem schwedischen Großmeister und Hauptschiedsrichter des Weltmeisterschaftskampfes.
Höhepunkt der Schenkung sind allerding die vollständig vorhandenen Originalbulletins der 1960 in Leipzig ausgetragenen XIV. Schacholympiade mit allen Partien.Der junge Köthener brachte das Kunststück fertig, das sich fast alle teilnehmenden Großmeister mit einem Autogramm auf diesem Bulletin verewigten. Immerhin war das nahezu die komplette Weltspitze.
Die Schacholympiade fand im Ring-Messehaus statt und gilt bis zum heutigen Tag als eine der gelungensten Schacholympiaden überhaupt.
Herwig Karius, damals gerade im jugendlichen Alter von 18 Jahren, bezog als interessierter Schachspieler über eine Woche in Leipzig Quartier um das Geschehen hautnah mitzuerleben.
Dazu gehörten der Weltmeister Michail Tal (Sowjetunion), die ehemaligen Weltmeister Max Euwe aus den Niederlanden und Michail Botwinnik sowie die späteren Weltmeister Wassili Smyslow, Tigran Petrosian (alle Sowjetunion) sowie der US-Amerikaner Bobby Fischer. Als weitere Weltklassespieler müssen Viktor Kortschnoi, Paul Keres, Wolfgang Unzicker, Wolfgang Uhlmann, Lothar Schmidt und Miguel Najdorf unbedingt erwähnt werden.
Der tschechische Internationale Meister Vlastimil Hort war zu der Zeit gerade einmal 16 Jahre alt und so dürfte das Autogramm zu den ersten zählen, die er gab.
Die Rundenbulletins wurden 2009 zusammen mit einem offiziellen Veranstaltungsprogramm, was ebenfalls von Herwig Karius stammt, eingebunden
Für Herwig Karius war die selbstlose Überlassung der Raritäten eine Möglichkeit, die historischen Zeugnisse auch für die Zukunft einem breiterem Interessenkreis zugänglich zu machen.